«Je ne regrette rien»

Glücklich, wer in seinem Leben nichts zu bereuen hat. Die allermeisten kennen aber wohl den Gedanken «hätte ich doch (nicht)», der immer wiederkehrt.

Im Höngger Erzählcafé wurde es vergangenen Freitag sehr persönlich, weshalb es auch keine Fotografie zu diesem Artikel gibt. Emil Loppacher, dessen Name hier als einziger erwähnt wird, erzählte zur Einführung von einer Entscheidung, die er noch heute bereut. Es ging um den Kauf einer Ferienwohnung, eines dieser vermeintlichen Schnäppchen, die einem am Ende teuer zu stehen kommen können. Doch nicht der eigentliche Kauf der Immobilie sei Grund seiner Reue, sondern die davor und danach geführten Streitgespräche mit seiner inzwischen verstorbenen Frau, die ihm von Anfang an davon abgeraten hatte. «Ich hätte auf sie hören sollen, wir hätten die Zeit so viel besser miteinander verbringen können, als im Streit». Es kostet die Teilnehmerinnen – ausser Emil Loppacher trauten sich leider nur Frauen ins Gespräch zu kommen – schon etwas Überwindung, über ihre Reue zu sprechen. Schliesslich waren es immer Entscheidungen, die man getroffen hat, und die sich als falsch erwiesen haben. Es könnte peinlich sein. Aber das ist es nicht. Weil es menschlich ist. Und manchmal auch lehrreich. Eine Lektion fürs Leben erhielt beispielsweise eine Teilnehmerin, als sie als Kind die Spielsachen einer besten Freundin mitgehen liess, weil diese so viele davon besass. «Die Schande war gross, denn das andere Mädchen war die Tochter des Vorgesetzten meines Vaters!», erzählt die Frau, als wäre es erst gestern gewesen. «Ich habe mich so geschämt, als ich die Spielsachen mit meiner Mutter zurückbringen musste». Gestohlen habe sie seither nie mehr. Auch, sich auf den falschen Mann einzulassen und ihn sogar zu heiraten, obwohl er einem nicht guttut, kann etwas sein, dass man bereut. «Es ist traurig, wenn man sich in einer Person getäuscht hat», erzählt die elegant gekleidete Dame. «Aber auch auf einem falschen Pfad kann man Dinge entdecken, die einem andernfalls verborgen geblieben wären».

Was wäre wenn

Vielleicht stimmt es tatsächlich, was Aurel sagt und Moderatorin Gabriela Bregenzer an diesem Nachmittag zitiert: «Man bereut nie, was man getan, sondern immer, was man nicht getan hat». Wie wäre das Leben verlaufen, wäre die damals junge Frau ihrem Herzen gefolgt, und hätte sich auf den französischen Beau eingelassen, der sie auf seine Yacht eingeladen hatte? Wahrscheinlich wäre sie an diesem Nachmittag nicht in Höngg im Erzählcafé gewesen. Vielleicht wäre der Hund nicht gestorben, wenn sich eine andere Frau dem Verbot der Mutter widersetzt hätte und nach dem treuen Gefährten geschaut hätte, bevor sie zur Schule ging. Eine besonders schmerzliche Reue ist die, die man empfindet, wenn etwas aufgeschoben wurde, bis es zu spät war. Die Reise mit dem Ehemann, geplant für die Zeit nach seiner Pensionierung, die er nicht mehr erlebte. Die vielen Fragen, die man seinen Eltern nicht mehr stellen konnte. Unterlassene Dinge hinterlassen eine Lücke, von der man nicht wissen kann, wer oder was sie gefüllt hätte. Vielleicht ist es so schwierig, sich mit den eigenen Entscheidungen zu versöhnen und nicht zu hadern, weil, wie die Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach einst schrieb, «die Reue eine grosse Trauer darüber ist, dass wir sind, wie wir sind». Wer nachsichtig mit sich selber ist, schafft es möglicherweise am Ende doch, wie Edit Piaf zu sagen: Non, je ne regrette rien.

Das nächste Erzählcafé findet am Freitag, 8. Juni, von 14 bis 16.30 im Sonnegg statt. Das Thema: Meine Grosseltern – meine Enkel.

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