«I like my Höngg» – aber nicht überall

Zwischen September 2015 und Oktober 2016 haben Patrick Bolle und sein Team vom GZ Höngg/Rütihof in Zusammenarbeit mit der IG Engagiertes Höngg im Quartier gefragt, welche Orte beliebt sind. Gezeigt hat sich dabei auch, welche für Ärger sorgen. 733 Personen jeden Alters haben mitgemacht. Der «Höngger» widmet den Ergebnissen exklusiv den Hauptteil dieser Ausgabe.

Datensammlung «I like my Höngg» am Wümmetfäscht 2015.
Der Platz unterhalb der reformierten Kirche, beliebt bei Alt und Jung.
«Geheimtipp» Werdinsel, hier während des Werdinselopenairs.
Zu viel Verkehr am Meierhofplatz, ein gleichbleibendes Ärgernis.
Der Rechtsvortritt bei der Regensdorfer- und Gsteigstrasse sorgt für Verwirrung, Verzögerung und gefährliche Situationen für alle.
Der Wald ist, egal wo, ein beliebter Erholungsraum.
Der Friedhof Hönggerberg: Die gepflegte Anlage ist nicht nur für Trauernde ein Ort der Ruhe.
Die Plätze zwischen den ETH-Gebäuden, ein beliebter Treffpunkt.
Die Kappenbühlstrasse, beliebt auch der Aussicht wegen.
Die Sportplätze auf dem Hönggerberg, für viele nicht wegzudenken.
Dunkle Wolken über der 300-Meter-Schiessanlage Hönggerberg.
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Höngg ist als Wohnort beliebt. Das zeigt auch die repräsentative Umfrage des GZ Höngg/Rütihof wieder. Doch es ist nicht überall beliebt und der eine oder andere Ort sorgt, wie zu erwarten war, für negative Reaktionen. Gestartet wurde mit der Umfrage am Wümmetfäscht 2015. Patrick Bolle und sein Team waren dort mit einer grossen Karte von Höngg präsent, auf der mit farbigen Klebern Orte markiert werden konnten, die man besonders mag, gar als Geheimtipp verraten möchte. Oder eben auch, welche Orte man gar nicht mag, worüber man sich ärgert oder stört. Die gleiche Aktion wurde am Neujahrsapéro der GEWOBAG, am Familientag der reformierten Kirche, an der Mitglieder-Jahresversammlung des Frauenvereins, der Generalversammlung des Quartiervereins Höngg und zuletzt auch noch im Schulhaus Lachenzelg durchgeführt. So kamen 733 Meinungen aus allen Altersgruppen zusammen (siehe Abb. 1), die durchaus als repräsentativ betrachtet werden dürfen.

Die Verjüngung als Ausgangslage

Ausgangslage für die Umfrage war, dass in Höngg ein Generationenwechsel stattfindet. Die zweite bauliche Expansion in Höngg, im Rütihof ab den 1980er-Jahren, brachte viele jüngere Menschen ins Quartier. Die erste Expansion fand hingegen bereits zwischen 1950 und 1970 statt, als zahlreiche Genossenschaften und Pensionskassen Siedlungen erstellten. Jene, die damals einzogen, haben unterdessen wieder Jüngeren Platz gemacht und nach und nach werden diese Siedlungen durch Neubauten mit für heutige Familien attraktiveren Grundrissen ersetzt. Und dieses Jahr eröffnete die ETH Hönggerberg ihre neuen Studentenwohnhäuser, der Campus ist Realität. Kurz: In Höngg findet ein belegter Generationenwandel statt. Die Anzahl junger Familien ist in Höngg gestiegen, während die Altersgruppe ab 50 Jahren stabil bei zirka 40 Prozent verharrt. Dadurch verändert sich die Nutzung des öffentlichen Raums, denn unmittelbar im Quartier, ihrer nahen Umgebung, bewegen sich insbesondere junge Familien und ältere Personen. Wie und wo aber bewegen sich diese Menschen? Wie orientieren sie sich in Höngg? Was mögen sie, und was stört sie? Und was empfehlen «Alteingesessene» jenen durchschnittlich über 1000 Personen, die jedes Jahr neu nach Höngg ziehen? Dies waren die ursprünglichen Fragen, die das Team des GZs bewegten. «Höngg bietet einige bekannte und unbekannte Begegnungsorte und hat auch noch nicht oder nur spärlich genutzte Örtlichkeiten», so Patrick Bolle, «diese wollten wir Neuzuziehenden aufzeigen, denn insbesondere Familien unter ihnen freuen sich über jede Form von Integrationshilfe».

Identifikation fördern

Das grundsätzliche Ziel der Umfrage war es also, die Identifikation mit und das Engagement für Höngg allgemein zu stärken – bei Alteingesessenen wie Neuzuziehenden. Alle sollten ihr Bild der Örtlichkeiten in Höngg abgeben, sich damit auseinandersetzen und gegebenenfalls zum Handeln animiert werden. In der Auswertung wurden so selbst innerhalb der Generationen entstandene Präferenzen oder Ablehnung von Örtlichkeiten sichtbar. Neuzuziehenden wird damit eine «Start-up-Hilfe» geboten und, nicht ganz unbeabsichtigt, erhält Höngg die Grundlage zu einem Quartierentwicklungstool wie es bislang nicht vorlag. Als erstes sichtbares Ergebnis, nebst der hier folgenden Auswertung, werden die Bewertungen auf einer gedruckten Quartierkarte abgebildet (siehe Bild und Infobox). Diese Karte geht als Willkommensgeschenk an die Neuzuziehenden und wird auch in Höngg verkauft werden. Der «Höngger» präsentiert exklusiv die ersten und zentralsten Ergebnisse.

Der zentrale Generationentreffpunkt

Sehr gute Resultate über alle Altersgruppen betrachtet erzielte der Bereich zwischen reformierter Kirche und Rebberg Chilesteig (siehe Abb. 2). Man geniesst dort die Aussicht und, falls man das Grundrauschen des Verkehrs auf der Autobahn und der Europabrücke ausblenden kann, die Ruhe. Nutzungskonflikte gibt es wenige: Abends und in die Nacht hinein nutzen viele Junge den Raum als meistens ungestörten Treffpunkt um zu «chillen» – tagsüber nutzen dann vor allem ältere Personen diesen Naherholungsraum und stören sich allenfalls an dem, was die Jungen nachts an Abfall hinterliessen. «Das zeigt klar», zieht Bolle das Fazit, «dass dies ein wichtiger, altersdurchmischter Naherholungsraum im Zentrum ist. Für die Jugendlichen ist es sogar der wichtigste Treffpunkt in Höngg». Und wenn diese ihre Eltern fragen, werden sich viele davon erinnern, dass dies keine Neuentdeckung ist. Auffallend negative Bewertungen in diesem Raum bekam einzig der städtische Spielplatz gleich unterhalb des Sonneggs. Bolle zu den Ergebnissen: «Moniert wird, der Spielplatz sei, trotz noch nicht lange erfolgter Instandsetzung, nicht zeitgemäss. Die Gestaltung, die Geräte aber auch der Zugang zum Sonnegg könnten besser sein».

Werdinsel: weniger brisant als auch schon

Interessant ist, wie die Werdinsel aus Höngger Sicht bewertet wird. Der Bereich Ost (Abb. 3) mit der Badeanstalt, dem Werdinselkiosk und der Fussballwiese erhalten nahezu durchwegs Bestnoten und werden auffallend oft als Geheimtipp genannt – auch wenn sie längt weit über Zürich hinaus bekannt sind, wie man an jedem schönen Sommertag leicht feststellen kann. Hier sind die häufigsten genannten Motive die Naherholung, das Baden und Spazieren. Dasselbe gilt auch für den westlichen Teil der Insel (Abb. 4) mit dem tolerierten FKK-Bereich und dessen näheren Umgebung. Hier werden in der Detailauswertung auf der positiven Seite der Auslauf für die Hunde genannt. Und auf der Negativen dieselben Vierbeiner angeprangert. Und, jedoch deutlich weniger als aufgrund früherer Jahre zu erwarten gewesen wäre, die Nacktbadenden und deren «Aktivitäten» an Land. «Der FKK-Bereich ist besser akzeptiert als angenommen», hält Bolle fest und bringt dies direkt mit den von der Stadt und der Stadtpolizei eingeleiteten Massnahmen in Verbindung, die offenbar Wirkung zeigen: «Das Potenzial für anhaltende Nutzungskonflikte ist nicht mehr so akut». Doch nach diesen beiden mehrheitlich positiven Nennungen wird es auf der Höngger Stimmungskarte kritischer. Nicht unerwartet stehen dabei als erste der Meierhofplatz und der Verkehr im Zentrum.

Dauerärgernis Verkehr

147 Personen äusserten sich zur Verkehrsüberlastung am Meierhofplatz (Abb. 5). Drei davon nannten diese oder den Meierhofplatz als «Geheimtipp» – was auch immer man darunter verstehen darf – und eine Person findet «gefällt mir». Die anderen 143 Personen urteilten klar mit «gefällt mir nicht». Hauptsächlicher Kritikpunkt sind der viele Verkehr, der Stau, gefährliche Strassenübergänge und lange Umsteigewege bei den öffentlichen Verkehrsmitteln. Als Detail hinzu kommen Wertungen zum Fussgängerübergang bei der Post an der Gsteigstrasse: die chaotische Vortrittsregelung dort gefällt 30 Personen gar nicht, nur eine mag den Ort (Abb.6). Und, erstmals so deutlich benannt: Auch das Rebstockgebäude gefällt nur einer Person und eine nennt es als Geheimtipp. Andere 25 finden deutlich: «gefällt mir nicht» (Abb.7). «Der Meierhofplatz ist und bleibt der am negativsten bewertete Raum in Höngg», nennt Bolle das unliebsame Kind beim Namen, «das Unbehagen bleibt stabil, man gewöhnt sich nicht an die negativen Ursachen. Und: Diese Aussagen stammen vorwiegend von Menschen über 30». In Anbetracht dieser Ausgangslage sollten alle zukünftigen Verkehrsplanungen der Stadt Zürich nicht an Höngg vorbeiziehen, hält er weiter fest: «Übergeordnete Verkehrskonzepte sollten dabei eine Reduktion des Verkehrsaufkommens am Meierhofplatz ermöglichen». Die Ergebnisse aus dem 2013 erarbeiteten Projekt «Verkehr Kreis 10» zielen auf diese übergeordnete Planung, jedoch ohne den Verkehr am Meierhofplatz grundsätzlich zu entlasten oder gar einzugrenzen. Abgesehen davon: Umgesetzt wurde am Meierhof von den vorgeschlagenen Massnahmen bis heute sowieso nichts.

Grossräumige Allmend Hönggerberg

Exemplarisch zeichnet sich ein Nutzungskonflikt auf dem Hönggerberg ab. Er ist latent bereits vorhanden und wird, mit dem zunehmenden Druck auf das Naherholungsgebiet, potentiell zunehmen. Einfach machte es der Wald zwischen Grünwald und Schiessanlage den Bewertenden (Abb.8): 54 fanden, er gefalle ihnen und für weitere 55 ist er dort ein Geheimtipp. Für diese 99 Personen ist dort die Erholung in der Natur, Joggen, Spazieren und Picknicken das am meisten genannte Motiv. Nur 4 Personen halten sich nicht gerne in diesem Gebiet auf.
Ähnlich positiv sieht es beim Wald nahe dem Friedhof aus. Dort verweilen 40 Personen gerne, für 32 ist es ein Geheimtipp und nur zehn mögen den Ort nicht (Abb. 9). Für 15 Personen ist der Friedhof Hönggerberg selbst ein Geheimtipp und elf weiteren gefällt er (Abb. 10). Negativmeldungen sind zum Friedhof wohl nicht nur aus Pietätsgründen keine gemacht worden. Ebenfalls gut schneiden Wald und Waldrand im Gebiet zwischen den Sportplätzen und der Waid ab. 53 Personen setzten dort ihre Kleber, für elf von ihnen ist es ein Geheimtipp, 37 mögen die Gegend und nur fünfen gefällt es dort nicht (Abb. 12). Die Kappenbühlstrasse, einer der schönsten Aussichtspunkte von Höngg, wird verdient von weiteren 16 Personen als Tipp und von 31 mit «gefällt mir» bewertet. Auch hier: Keine einzige negative Meldung. Erholung, Natur, Joggen und Spazieren sind die beliebtesten Tätigkeiten (Abb. 13). Die ETH selbst, im östlichen Zentrum des eben bewerteten Gebietes, erhält auch mehrheitlich gute Noten. Speziell der Hauptplatz und die Gebäude werden von 19 Personen als Geheimtipp genannt und von weiteren 13 mit «gefällt mir» bewertet – aber es sind da auch noch 12 Personen, denen der Ort nicht gefällt (Abb. 11).

Brennpunkt Allmend Hönggerberg

Nun aber zum eigentlichen Herzstück des Naherholungsraumes auf der Allmend Hönggerberg: den Sportanlagen (Abb. 14). Für 53 ist es dort ein Geheimtipp oder zumindest ein Ort, den man mag. Nur 4 Personen finden keinen Gefallen an den Sportplätzen. Was hingegen eindeutig als Störfaktor wahrgenommen wird ist der Schiessstand (Abb. 15), insbesondere die 300-Meter-Anlage, bei welcher der Lärm und die Einschränkung der Bewegungsfreiheit in diesem Gebiet während den Schiesszeiten negativ bewertet werden. 55 Personen stören sich am Schiessplatz, nur vieren gefällt er und nur jemand gibt ihn als Geheimtipp an. Das Fazit, welches die Umfrage zieht: In diesem Gebiet ist das Potential für einen anhaltenden Nutzungskonflikt gross. Erholungssuchende und der Lärm einer Schiessanlage vertragen sich nicht. Eine Auswertung der Schiesszeiten 2016 zeigt, das an insgesamt 69 Tagen total während 177,5 Stunden auf der 300-Meter-Anlage geschossen wurde. «Das ist», präzisiert Bolle, «auch kongruent mit den Forschungsergebnissen verschiedener Studien». Die angesprochenen Langzeit-Erhebungen zeigen eine deutliche Zunahme der Nutzung des öffentlichen Raums durch alle Altersklassen. Dies nicht nur in Innenstädten, sondern eben besonders auch in den Naherholungsgebieten an den Stadträndern. Dies ist eine direkte Folge der verdichteten Bauweise. Die Diversität der Nutzung hat stark zugenommen: Was früher zum Spazieren oder wirtschaftliche Wald- und Ackernutzung vorgesehen war, ist heute von Joggingroute, Bikestrecke, Hundespielplatz, Kinder-Geburtstagsort bis Wildtierbeobachtungs- und Schutzgegend alles in einem. Folglich sind Nutzungskonflikte vorprogrammiert. «Auf der Allmend Hönggerberg lohnt es sich über weiterführende Massnahmen nachzudenken», ist Bolle überzeugt. Was das Team des GZ Höngg/Rütihof in Zusammenarbeit mit der IG Engagiertes Höngg mit dieser «I like my Höngg»-Karte erstellt hat, ist eine Orientierungshilfe für alle, die in Höngg leben oder hierherziehen wollen – und es könnte ein Kompass zur Quartierentwicklung sein.

Ab 2017 wird die Karte mit den Ergebnissen in Höngg erhältlich sein. Dort werden noch weitere negative und positive Orte wie Strassenübergänge, Plätze, Treffpunkte und vieles mehr sichtbar sein.

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