Hans Ulrich Lenzlinger, Fluchthelfer, Abenteurer und Lebemann

Geschichten über den Fluchthelfer Hans Ulrich Lenzlinger und seine ungeklärte Ermordung sind in Höngg heute noch vielen in Erinnerung – Stefan Hohlers Buch liefert viele Fakten dazu. Der «Höngger» organisiert zusammen mit dem Autor die Buchvernissage.

So sah man Lenzlinger (Mitte) – und auch er sah sich so selbst am liebsten.
Lenzlingers Visum für die damalige Tschechoslowakei.
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ans Ulrich Lenzlinger war in den siebziger Jahren einer der berühmtesten Fluchthelfer in Deutschland. Der an der Ackersteinstrasse 116 unweit des Meierhofplatzes wohnhaft gewesene Kaufmann verhalf über hundert DDR-Bürgern aus Ostdeutschland in die Bundesrepublik – gegen gutes Geld natürlich. Rund 30 000 Mark mussten die Angehörigen in der BRD Lenzlinger und seinen Fluchthelfern in Berlin für eine so genannte Schleusung pro Person bezahlen. Für die damalige DDR war Lenzlinger Staatsfeind Nummer 1: Am Berliner Grenzübergang «Checkpoint Charlie» soll ein Plakat mit einem Kopfgeld von einer halben Million D-Mark gehangen haben. Auch in der Schweiz kam Lenzlinger mit den Behörden und der Nachbarschaft zu Auseinandersetzungen und Verfahren. So schloss die Stadtpolizei 1970 das gutgehende Bordell «Salon Procot», das Lenzlinger und seine Frau Bernadette im Keller seines Hauses an der Ackersteinstrasse führten. Zuvor hatte er in der Garage seines Haus eine Chinchilla-Zucht betrieben und dabei etliche gutgläubige Käufer übers Ohr gehauen. Mit den Nachbarn zerstritt sich der Tierfreund Lenzlinger, weil er ohne Baubewilligung einen Raubtierzoo mit einem zahmen Gepard, Leoparden, Löwen und Servals im Garten hatte, was zu Klagen wegen Gestank und Lärm führte. Einen jahrelangen Gerichtsstreit hatte Lenzlinger mit dem Höngger Tierarzt, nachdem eine seiner drei geliebten Deutschen Doggen nach einer tierärztlichen Behandlung starb.

«Leo» füllte über 10 000 Seiten Stasi-Akten

Die Stasi, die ostdeutsche Geheimpolizei, bespitzelt Lenzlinger während Jahren. Seine Geheimakte hatte den Titel «Leopard» in Anlehnung an seinen Raubtierzoo, Lenzlinger wurde in den Stasi-Akten auch als «Leo» bezeichnet. Am 5. Februar 1979 wurde der 49-Jährige erschossen in seinem Haus aufgefunden. Der oder die Mörder sind auch nach über dreissig Jahren nicht bekannt: Lenzlinger hat den Namen seiner Mörder mit ins Grab genommen. Er wurde im Grab seiner Mutter auf dem Friedhof Hönggerberg beigesetzt. Die Stasi-Akte zu Lenzlinger umfasst über 10 000 Seiten und ist in Berlin bei der Stasi-Unterlagen-Behörde auf Begehren und Begründung einsehbar. Der Höngger Journalist Stefan Hohler hat bereits zwischen Weihnachten und Neujahr 2011 im «Tages-Anzeiger» eine fünfteilige Serie über diesen Abenteurer und Lebemann geschrieben. In der Folge hat er ein Buch über das spektakuläre Leben von Lenzlinger verfasst, das am 15. November auf den Markt kommt und in Höngg anlässlich der Buchvernissage erstmals vorgestellt wird (siehe Kasten). Autor Stefan Hohler wird über die Recherchen in Berlin, über Lenzlingers Leben und die Aktivitäten der Stasi berichten. Moderiert wird der Abend von Bruno Kistler, ehemaliger Sprecher der Stadtpolizei Zürich. Kistler hatte in den siebziger Jahren mit Lenzlinger als Verkehrspolizist noch «berufsbedingt» zu tun.

Stefan Hohler, «Hans Ulrich Lenzlinger, Fluchthelfer, Abenteurer und Lebemann», Stämpfli Verlag Bern, 38 Franken, ISBN 978-3-7272-1264-2.