Gesunde Ernährung ist relativ – ungesunde auch

Um sich ungesund zu ernähren, muss man nicht gleich zum Radikalmittel der Lichtnahrung greifen, wie die Australierin Ellen Greve, die nach eigenen Aussagen seit 1993 keine Nahrung im herkömmlichen Sinne mehr benötigt, sondern sich ausschliesslich von Licht ernährt. Es reicht, alle paar Jahre Zeitung zu lesen.

Benno Schnellmampf

Ellen Greve wurde auch nach 1993 mehrfach beobachtet, wie sie feste Nahrung zu sich nahm, dies vorweg, um das Thema vom gedeckten Tisch zu haben. Wie ernährt man sich nun aber richtig ungesund? Im Frühling ist dies hierzulande besonders einfach: Jetzt, da alle Wälder von weitem olfaktorisch «Bärlauch» schreien, ist es ein Einfaches, sich auf ein hausgemachtes Pesto zu freuen und im Wald beherzt nach den Maiglöcklein zu greifen, die dem Bärlauch zum Verwechseln ähnlich sehen, im Magen aber eine ungleich andere Wirkung hervorrufen. Wer sich diese Chance entgehen lässt, muss sich wieder bis zur Pilzsaison gedulden, um dann die beliebte Verwechslung von Champignon und Knollenblätterpilz ins Feld zu führen, wenn er oder sie drei Tage nach dem Nachtessen auf der Intensivstation aufwacht.

Heute dies, morgen das, zur falschen Zeit am falschen Ort

Aber es soll hier ja nicht um die Extremform des Ungesunden gehen, der Vergiftung, sondern in erster Linie eben nur um das dezent Ungesunde. Zum Beispiel den Konsum von Rotwein. Wie viele Studien haben über die letzten Jahre «nachgewiesen», dass dessen Konsum aus diesem oder jenem Grund ungesund ist? Und wie viele haben, im selben Zeitraum, genau das Gegenteil «bewiesen»? Oder Olivenöl? Einmal sind die ungesättigten Fettsäuren der Garant für einen frühen Herzinfarkt, dann wieder stehen sie für einen ausgeglichenen Cholesterinhaushalt. Oder wer mag sich noch an die Kopfsalatdiskussionen erinnern? Tonnenweise hätte man davon essen müssen, um Schaden zu nehmen. Selbiges gilt für die Diskussion um Phosphatzusätze in Fleischprodukten – hätte man in jener Zeit gewissen Berichten geglaubt, dann hätte man Gehacktes ebenso gut als Waschpulver verwenden können, so viele Phosphate enthielt es angeblich. Oder das Thema «saisongerecht». Was heisst das schon? Was auch immer, irgendwo auf dieser Welt ist sicher gerade Saison dafür. Warum also soll es gesund sein, im Winter auf Erdbeeren zu verzichten? Bloss weil man nicht in Australien lebt wie Ellen Greve? Es ist alles nur eine Frage der Zeit: Irgendwann wird irgendwo auf der Welt jede Studie, die sich um Ernährung dreht, von einer Folgestudie widerlegt. Es reicht also, alle paar Jahre die Zeitung – den «Höngger» ausgenommen – zu lesen, um sich zu vergewissern, dass man sowieso alles falsch und trotzdem richtig gemacht hat. Wirklich interessant an der Thematik ist lediglich, wer die jeweils aktuelle Studie finanziert hat.

Essen wie Bettler, König und Kaiser, dies an einem Tag

Am besten also, man hält sich nicht an das althergebrachte Sprichwort, sondern isst am Morgen wie ein Bettler (wer hat schon Zeit für ein Frühstück vor der Arbeit?), mittags wie ein Kö- nig (wer macht nicht gerne drei Stunden Mittagspause?) und am Abend wie ein Kaiser – danach kann man sich nachts ungeniert den Halluzinogen-artigen Albträumen hingeben in der Gewissheit, am Morgen schweissgebadet zu erwachen und sich so erfolgreich den Gang in die gesunde Sauna erspart zu haben.

Dieser Artikel erschien am 1. April 2010. Alle darin gemachten Aussagen und festgehaltenen Zitate sind den genannten Personen, falls es diese überhaupt gibt, angedichtet und sollten in der Realität nicht mit diesen in Verbindung gebracht werden. Die behandelten Themen sind reine Hirn- oder andere Gespinste der Redaktion der Quartierzeitung «Höngger» beziehungsweise der zeichnenden Autorenschaft. Vor einer realen Adaption wird, je nach Gesinnung, ausdrücklich nicht gewarnt.