Fünf Minuten Ruhe vom Verkehr

Die Interessengemeinschaft Am Wasser/Breitensteinstrasse, kurz IGAWB, veranstaltete eine Kundgebung, die sich gegen den starken Durchgangsverkehr auf der Achse Am Wasser/Breitensteinstrasse richtete. Fünf Minuten durfte offiziell auf der Strasse protestiert werden.

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Für einmal keine Lastwagen und Autos, dafür bedrückte Anwohnerinnen und Anwohner.
Für einmal keine Lastwagen und Autos, dafür bedrückte Anwohnerinnen und Anwohner.
Viele Bewohnerinnen und Bewohner jeden Alters nahmen am «Trauermarsch» teil.
Die «Gefangenen des Verkehrs» bei ihrem Sträflingsmarsch auf der gesperrten Strasse.
Martin Zahnd zeigt in seiner Rede auf, dass an der Achse Am Wasser/Breitensteinstrasse erst am Wipkingerplatz die ersten Verkehrsampeln stehen – an der Hardturm- und an der Pfingstweidstrasse hat es dagegen unzählige.
Spontane Begegnungen freuten alle.
Am Anlass durfte auch gelacht und gescherzt werden, schliesslich traf man sich mal wieder.
Der Jazz Circle Höngg trat auf.
Ein «Sträfling» beim Paella kochen.
Dieses Transparent wollte jemand mutwillig entfernen.
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Letzten Samstag, kurz nach zwölf Uhr mittags: Viele Anwohnerinnen und Anwohner der Strassenachse Am Wasser/Breitensteinstrasse sitzen und stehen im Vorgarten der Wohnsiedlung Am Wasser 110 bis 116, reden, essen, trinken und hören den Jazz-Klängen des Jazz Circle Höngg zu. Sie setzen mit ihrer Anwesenheit ein Zeichen gegen den stark gestiegenen Durchgangsverkehr. Rund 12‘000 Autos und Lastwagen zwängen sich gemäss IGAWB durch diese Achse – den ganzen Tag. «Ab etwa fünf Uhr morgens kommen die Lastwagen, sie sind die Schlimmsten», so Martin Zahnd, Präsident der IGAWB. Er wohnt seit 24 Jahren hier und hat, wie viele andere Bewohnerinnen und Bewohner auch, erlebt, wie stark der Verkehr zugenommen hat. «Damals war es abends um 21 Uhr still, heute rollt und steht der Verkehr den ganzen Tag hindurch, und auch in der Nacht ist die Achse oft befahren. Man könnte meinen, hier sei eine offizielle Transitstrecke – dabei ist das hier ein Teil des Wohnquartiers Höngg mit über 3‘000 Menschen, darunter über 300 Schulkinder.»

Vortritt wird oft nicht gewährt

Man könne sich auf der Strasse nicht mehr frei bewegen, die schmalen Trottoirs seien unzureichend, zudem hielten an den Fussgängerstreifen die Autofahrer oft nicht einmal an, um Fussgänger passieren zu lassen. «Es gab schon mehrmals Unfälle mit Kindern, und Hunde wurden sogar an der Leine überfahren, weil sie vor ihren Haltern herliefen und von den Autofahrenden schlicht übersehen wurden», so ein Anwohner.
Den Lärm und die Unruhe, welche die Autos und Lastwagen bringen, spürt man im Vorgarten an der Kundgebung deutlich. So muss man das Gespräch unterbrechen, wenn ein Lastwagen vorüberfährt, und Martin Zahnds Rede hört man nur, wenn man wenige Meter von ihm entfernt steht. Die Stadt Zürich habe nie eine Lärmmessung gemacht, doch habe der Verkehr seit dem Bau der Westumfahrung spürbar massiv zugenommen: «Wir sehen hier oft Innerschweizer Autokontrollschilder, das war vorher nicht so. Geschwindigkeitskontrollen gibt es, abgesehen vom mobilen Radarkasten, auch nicht wirklich», so der Präsident.
Trotz des Verkehrs sind anscheinend nicht alle Bewohner der inoffiziellen Durchgangsachse Freunde der IGAWB: «Diesen Freitagabend hängten wir ein Transparent am Zaun des Siedlungsgartens auf, also auf Privatgrund. Ein Anwohner beobachtete, wie jemand das Transparent mit Gewalt entfernen wollte. Im Gespräch stellte sich heraus, dass die Person ebenfalls an der Strasse Am Wasser wohnt, aber unser Engagement eine Frechheit findet», so ein IG-Mitglied.

«Gefangenenmarsch» macht nachdenklich

Dann ist es soweit, die «Gefangenen des Durchgangsverkehr», viele kostümiert als Sträflinge, formieren sich zum von der Stadt bewilligten, fünfminütigen Umzug durch die Strasse Am Wasser zum Engpass bei der Hausnummer 108, begleitet von traurigen Klängen des Jazz Circle Höngg. Mit Fussfesseln und Autoreifen, durch die sich einige gezwängt haben, endet der «Gefangenenmarsch», und das Transparent «Bestraft durch den Verkehr. Bitte begnadigt uns!» wird von vielen Händen gehalten. Die Stille und die vielen nachdenklichen Menschen jeden Alters mitten auf der Strasse lassen niemanden kalt. Als die Sperrung nach fünf Minuten durch die drei Verkehrsdienstmitarbeiter, welche ein Mitglied der IGAWB bezahlt hat, aufgehoben wird, rast ein Rollerfahrer durch die 30er-Zone und ruft: «Ihr seid doch alles Egoisten!» – ob er wohl dasselbe rufen würde, wenn er an der inoffiziellen Transitroute wohnen würde?

Weitere Informationen: www.igawb.ch

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