Eine gute Zeit mit der Ewigkeit

Der reformierte Kirchenchor Höngg unter der Leitung von Peter Aregger führte vergangenen Samstagabend zusammen mit dem Orchester Aceras barock, dem Organisten Robert Schmid, Catriona Bühler, Isabelle Pfefferkorn, Raphael Höhn und Christian Marthaler in der reformierten Höngger Kirche Johann Gottlieb Naumanns Oratorium «Zeit und Ewigkeit» auf.

Catriona Bühler, Sopran und Raphael Höhn, Tenor.

Für Peter Aregger ist es eine Freude, wenn er wieder einmal Komponisten oder Werke findet, die selten gespielt, aber dennoch spannend sind. Bei Johann Gottlieb Naumann trifft beides zu: Der Komponist zahlreicher Opern, von Oratorien und Kirchenmusik, der für den schwedischen König die dortige Hofkapelle reformierte, auch Werke in schwedischer Sprache herausbrachte und nicht zuletzt die Dresdner Hofkapelle nach dem für Sachsen verlorenen Siebenjährigen Krieg wieder aufbaute. Dennoch ist Naumann nicht in den geläufigen musikalischen Nachschlagewerken zu finden. Seine grosse Kantate «Zeit und Ewigkeit», 1782/83 für den Herzog von Mecklenburg-Schwerin komponiert, war zu ihrer Zeit ungemein beliebt, wurde wie sein Schöpfer lange vergessen und wird nun aber seit einigen Jahren auch auf CDs eingespielt. Der Text des Oratoriums stammt von Heinrich Julius Tode, der den Kontrast von «sorglos geniessendem Weltkind und fromm auf das Lebensende bedachtem Christen» herausarbeitet und der noch von keinerlei Zweifeln der Aufklärung, die in Frankreich und England – und eben auch in Preussen – grassieren, berührt ist. Dies im Gegensatz zur Naumannschen Musik, die ganz auf der Höhe ihrer Zeit spielt – Mozart führt in diesem Jahr die «Entführung aus dem Serail» auf – und die wie bei diesem auf eine Fülle von musikalischen Formen und Instrumenten zugreift, die vorab in den immer beliebteren und raffinierteren Opern angewandt werden.

Elegisch und kräftig gesungen

So beginnt die Kantate mit den Worten «Ist doch der Mensch gleich wie nichts…», vom Chor elegisch, kräftig und in bejahendem Tonus gesungen und in den die vier Solisten abwechslungsweise die Tonlagen markieren. Um dann gleich in ein Rezitativ und in eine Arie zu führen, die Christian Marthaler wie immer präzis mit seiner dynamischen, tragenden Bassstimme vorträgt. Ihm antworten wiederum Catriona Bühler, Sopran, und Raphael Höhn, Tenor, mit einem Rezitativ und einem Duett, das in schönstem Miteinander und gelungenem Gegeneinander Sätze wie «Wenn Meteore Nächte kleiden in Sonnenschimmer weit und breit, hat oft das Schauspiel sich zu laben der Mensch kaum Augenblicke Zeit» beinhaltet. Etwas später folgt ein vom Orchester begleitetes Alt-Rezitativ, das sich zu einer Arie ausweitet und von Isabelle Pfefferkorn ausdrucksstark gesungen und wunderbar von Oboen und Flöten umspielt wird. Wiederum setzt der Chor besänftigende Töne, damit die anschliessenden Rezitative umso dramatischer zur Geltung kommen. Bei der Chorpassage «Leben wir, so leben wir im Herrn, sterben wir, so sterben wir im Herrn» aber wird der Chor für einmal auch dramatisch und voller Nuancen. Wie nun auch die ganze Kantate Schwung aufnimmt, wörtlich fast mit dem Beginn des Sopran-Rezitativs «So gehe dann sein Pfad bergauf…», wo Catriona Bühler immer höhere Töne anschlägt und den anschliessenden Psalm «Du bist mein Hirt, wie kann mir grauen?» atemberaubend in Diktion und Wohlklang jubelt – im Opernhaus wäre nun in die Szene geklatscht worden.
Es folgen wieder der Chor und eine Bach-artige Tenorarie, die nun der Chor mit vollen Stimmen, Tempi und Stimmung wechselnd beantwortet und die zum Höhepunkt des Oratoriums führt: Nach einem Sopran-Rezitativ, bei dem Bratschen und Waldhörner einen tonal ungemein raffinierten Dialog mit der weiblichen Stimme führen, folgt die Arie «Auf! Auf! er kommt der Erretter!» – eine geistliche Opernarie der Mozartklasse, bravourös hingelegt. Aufgabe des Chors ist wiederum, den Pulsschlag der Zuhörenden zu normalisieren, was er auch innig tut, und Christian Marthaler führt mit seinem raumfüllenden Bass zum Schluss: «Amen, ja! Ach Herr Jesus, komm».  Am Schluss der grossen Sopranarie meint der Text: «Triumph, die Treue wird gekrönt!». Da hat Tode recht – im speziellen Fall dieser Aufführung wäre zu präzisieren: Triumph! Die intensiven Proben von Chor, Solisten und Instrumentalisten wurden gekrönt!

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