Die Selbstbestimmung bei Urteilsunfähigkeit ist neu gesetzlich verankert

Seit dem 1. Januar ist das revidierte Erwachsenenschutzrecht in Kraft. Mit Folgen für die Patientenverfügung und den Vorsorgeauftrag. Viel zuwenig wurde über diese gravierende Änderung berichtet.

Regine Zweifel

«Wenn ich mich nicht mehr selbst äussern kann, wer sorgt dafür, dass ich nur jene medizinische Hilfe erhalte, die ich auch will? Oder wer regelt meine Angelegenheiten und vertritt mich bei Behörden.» Dies sind Fragen, denen man nur allzu gerne ausweicht – dabei sollte man sich ihnen unabhängig vom Alter stellen und entsprechend handeln.

Die Patientenverfügung

Die Patientenverfügung regelt, welche medizinische Behandlung und Pflege man im Ernstfall erhalten möchte und welche nicht. Wer mit den medizinischen Möglichkeiten nicht vertraut ist, holt sich vorzugsweise beim Hausarzt oder einer anderen Fachperson Unterstützung. Bei der Pro Senectute und anderen Organisationen sind zudem Grundlagendokumente erhältlich. Erst mal ausgefüllt, schafft die Patientenverfügung Klarheit für die Familienmitglieder, zeigt auf, welche Vertrauensperson die Interessen des Verfassers vertritt und ist für Drittpersonen wie beispielsweise Ärzte und Spitalpersonal seit dem 1. Januar 2013 verbindlich. Damit sie jedoch Gültigkeit hat, muss sie – wie ein Testament auch – im urteilsfähigen Zustand und freiwillig niedergeschrieben werden. Es empfiehlt sich, sie regelmässig auf ihre Aktualität zu überprüfen und dies sowie allfällige Änderungen mit Datum und Unterschrift zu dokumentieren. Damit sie bei Bedarf auch rechtzeitig vorliegt, darf die Patientenverfügung kopiert und Vertrauenspersonen abgegeben werden – zudem ist ein Hinweis darauf im Portemonnaie empfehlenswert, wo beispielsweise Rettungskräfte darauf stossen.

Personensorge, Vermögenssorge, Rechtsverkehr

Ein weiteres Dokument ist der Vorsorgeauftrag. Darin werden natürliche oder auch juristische Personen bestimmt, welche die Interessen einer Person mit länger andauernder, ärztlich bestätigter Urteilsunfähigkeit wahrnehmen. Auch das Verfassen eines Vorsorgeauftrags ist freiwillig, erleichtert den Familienmitgliedern jedoch das Handeln. Falls kein Vorsorgeauftrag verfasst wird, wird die Erwachsenenschutzbehörde (KESB, vormals Vormundschaftsbehörde) die Vorsorge übernehmen. Vertretungsperson ist bei verheirateten Personen in erster Linie der Ehepartner oder der eingetragene Partner. Diese Person muss aber im gleichen Haushalt leben oder regelmässigen und persönlichen Beistand leisten. Fehlt diese Person, so stehen zuerst die Nachkommen, dann die Eltern und die Geschwister in der Verantwortung. Ist eine Person ganz alleine, wird vom Hausarzt, Spital oder Heim automatisch die KESB eingeschaltet und ein Beistand bestimmt. Im Bereich Personensorge wird geregelt, wer im Ernstfall die Interessen der urteilsunfähig gewordenen Person vertritt und überwacht. Im Bereich Vermögenssorge wird die sachgerechte Verwendung des Vermögens und auch das Erledigen der laufenden Geschäfte wie die Zahlung von Rechnungen − zum Beispiel für Miete und Krankenkassenprämien – geregelt. Damit darf auch eine juristische Person, also ein Rechtsanwalt, Treuhänder oder die Bank beauftragt werden. Dies gilt auch für die Belange des Rechtsverkehrs wie die Vertretung gegenüber Behörden, Banken, Geschäftspartnern und Familienmitgliedern. Generell ist zu bemerken, dass es eine Vereinfachung für alle drei Bereiche darstellt, wenn die Vollmacht ein und derselben Person erteilt wird. Laut Gesetz ist der Vorsorgeauftrag von Anfang bis Ende von Hand zu verfassen, zu datieren und zu unterschreiben. Aufbewahrt wird er vorzugsweise an einer gut zu findenden Stelle, zusammen mit den anderen wichtigen Dokumenten.

Wann tritt der Vorsorgeauftrag in Kraft?

Die Urteilsunfähigkeit einer Person wird nach ärztlicher Bestätigung an die KESB gemeldet. Sobald diese die Urteilsunfähigkeit akzeptiert und die im Vorsorgeauftrag bestimmte Person die Umsetzung des Vertrages annimmt, tritt der Vorsorgeauftrag in Kraft. Beendet oder widerrufen kann er nur werden, wenn die betroffene Person die Urteilsfähigkeit wieder erlangt oder verstirbt.

Herbstgold berät umsorgt betreut Regine Zweifel Telefon 044 341 77 77 gruezi@herbstgold.ch www.herbstgold.ch