Der Sheriff von Höngg geht in Pension

Als Armin Lusser die Polizeiausbildung begann, kam Melanie Serschön gerade zur Welt. Heute geht er in Pension und sie wird in Höngg erste Kreischefin der Stadt Zürich.

Wachablösung in Höngg: die neue Kreischefin Melanie Serschön und Armin Lusser, ab morgen Pensionär.

Seit 1. Juli 2004 war Armin Lusser als Kreischef 10 der Stadtpolizei Zürich zuständig für Höngg und Wipkingen. Nun wechselt er, wie er selber scherzend formuliert: «In den gefährlichsten Beruf der Welt – die Pension hat schliesslich noch niemand überlebt.» Das ist bezeichnend für Lusser: Bei allem Ernst in der Sache kam bei ihm der gesunde Humor nie zu kurz. So verwundert es nicht, dass egal wo man sich umhört: Lussers Einsatz für das Quartier wurde geschätzt. Sei es beim Quartierverein (QVH), dem Organisationskomitee des Wümmetfäschts, der Gruppe Sicherheit und Sauberkeit (SISA) Werdinsel oder zum Beispiel dem Schulhaus Bläsi, wo er sich unkompliziert dafür einsetzte, dass der Zirkus Pipistrello mit all seinen Wagen und Zelten eine ganze Woche zu Gast sein konnte. «Mir war es immer wichtig, zu den Menschen hier einen möglichst direkten Draht zu haben», blickt Lusser zurück. Dass er den hatte, davon zeugt der Original-US-Sheriffstern, den er zu seinem 60. Geburtstag vom QVH geschenkt bekam und auf den er unverhohlen stolz ist: «Die Person, die den Stern besorgte, musste sich in den USA dafür verbürgen, dass ein echter Polizeibeamter den Stern erhält, die nehmen das dort sehr genau.» Anstelle des Namens eines US-Bundesstaates ist auf Lussers Stern «Höngg» eingraviert und oft stellte sich der Kreischef mit seinem ihm eigenen Schalk gleich selbst als Sheriff von Höngg vor. Genau heute, am 31. März 2011, nach 39 Jahren und 6 Monaten im Polizeidienst, tritt Sheriff Lusser zurück. Warum all diese Zahlen? Weil bekannt ist, dass Lussers Lieblingszahl die 9 ist und zu der steht er bis zur Festlegung seines Pensionierungsdatums – «überdies», so ergänzt er, «halte ich es wie die Sportler: Man soll abtreten, solange Leistung und Spass noch stimmen. Wenn man ausgebrannt ist, ist es zu spät.» Einen gewissen «Spass», so sei seitens des Schreibenden an dieser Stelle in Ehren mal angenommen, bereitete es Lusser auch, Einfluss auf seine Nachfolge zu nehmen – so weit es ihm möglich war. «Ich freute mich unheimlich, als ich hörte, dass Melanie Serschön meine Stelle übernimmt und erste Kreischefin von Zürich wird – und dies im schönsten Kreis der Stadt», strahlt er. Sie sei seine Wunschbesetzung gewesen und das habe er auch dem Kommandanten der Stadtpolizei gegen- über geäussert: «Höngg ist ein Dorf geblieben, mit besonderen Menschen, und die brauchen jemanden, der gut kommunizieren kann, und sie ist diesbezüglich ein Naturtalent.» Melanie Serschön begann 1996 die Ausbildung zur Polizistin. Danach war Lusser im Jahre 1997 ihr Ausbildungschef in der Wache Seilergraben und später leistete sie Dienst in seiner Ablösung, als er Chef der heutigen Regionalwache City war. Polizistin war indirekt schon immer Serschöns Traumberuf: «Ich ging schon immer als Sheriff zur Fasnacht, mit Hut und Pistole – nie als Hexe oder gar Fee», erinnert sie sich. Zuerst aber wurde sie kaufmännische Angestellte und blieb dies, bis sie ein Stelleninserat der Polizei sah. Sie erkundigte sich ausführlich über den Beruf, holte bei diversen Personen Informationen ein und meldete sich schliesslich zur Aufnahmeprüfung für die Polizeischule an. Bereits die Ausbildung empfand sie als Lebensschule und grossartige Zeit: «Negatives hat es in jedem Beruf, doch die Abwechslung, wie man sie bei der Polizei erlebt, ist einzigartig.»

Lussers Wunschnachfolgerin

Dann ging Serschön den Weg jedes Polizeibeamten: Sie fuhr zuerst Streife, absolvierte diverse Weiterbildungskurse und machte dann schliesslich die Führungsausbildung zum Wachtchef. Auf der Regionalwache City verdiente sie zwei Jahre als Wachtchef-Springerin ab und kam so auf allen Regionalwachen zum Einsatz. Als eine Stelle für neue Kreischefs ausgeschrieben wurde, packte sie die Chance und meldete sich. Sie bestand als Einzige aller Bewerber das Assessment und trat per 1. Januar 2010 ihre neue Stelle als Kreischef-Springerin an. Als bekannt wurde, dass die Stelle in Höngg frei wird, wurde Melanie Serschön als Nachfolgerin vorgeschlagen. Somit ging Lussers Wunsch in Erfüllung und Höngg bekam die erste Kreischefin Zürichs. Stolz ist sie auf dieses Amt: «Nach der Grundausbildung und den ersten Jahren bleiben – warum auch immer – nur wenige Frauen im uniformierten Dienst und noch weniger machen darin Karriere», hält sie fest. Doch sie arbeitet nun bereits seit einem Monat mit ihrem ehemaligen Ausbildner auf Augenhöhe zusammen. Armin Lusser macht sie mit seinem ganzen Beziehungsnetz bekannt, das er in den sieben Jahren im Kreis 10 aufgebaut hat. Im Wissen darum, dass man als Kreischef oder nun eben als -chefin quasi das Gesicht der Polizei und Ansprechperson für alle und alles ist. 50 Prozent, schätzt er, sei Öffentlichkeitsarbeit. Der Rest sei Polizeiarbeit wie das Sicherstellen des Dienstbetriebes, Erteilen von Aufträgen, Personalführung sowie die Zusammenarbeit mit diversen Amtsstellen.  Die Kreiswache 10 deckt vom Posten am Meierhofplatz aus bei Vollbesetzung mit 900 Stellenprozenten Höngg und Wipkingen ab. Da sieht man so einiges. Lusser traf in seiner gesamten Dienstzeit als Polizist auf rund ein Dutzend tödlich verlaufene Verkehrsunfälle, der Tötungsdelikt auf dem Hönggerberg fiel in seine Zeit in Höngg und auch das Delikt im Rütihof letztes Jahr, als ebenfalls eine junge Frau um Leben kam. «Das berührt sehr, aber man darf es nicht ins Privatleben tragen», betont Lusser. Er habe seinen Ausgleich in den Bergen, im Männerchor oder auf der Jagd gefunden und zuhause nie etwas aus dem Berufsalltag erzählt. Melanie Serschön ergänzt, man sitze nach schwierigen Einsätzen auch im Team noch zusammen und mache eine Nachbereitung. Entscheidend sei es, mit einer gesunden Einstellung an alles Erlebte heranzugehen und es bei aller Betroffenheit letztendlich als Teil des Berufs zu betrachten.

Ehrenamtlicher Rotkreuzfahrer

Während für sie dieser Beruf noch viele Jahre Alltag als Kreischefin sein wird, freut sich ihr Vorgänger nun darauf, keine Termine mehr zu haben. Oder fast keine, denn Lusser, der seit 15 Jahren im Zürcher Oberland wohnt, wird sich dort als Rotkreuzfahrer ehrenamtlich engagieren. «Das hat sich gerade so ergeben», sagt er, bevor er weiter sinniert «vielleicht gehe ich auch mit meinem Bruder wildheuen oder ich mache noch den SACHüttenwart.» Doch in Höngg will er dann und wann am Wümmetfäscht auftauchen, endlich auch mal richtig anstossen dürfen und sicher wird er lächeln, wenn er seine Nachfolgerin in Uniform das Treiben auf dem Festplatz beobachten sieht – und hoffen, dass Höngg auch stolz ist auf die erste Kreischefin der Stadt.

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