Das «Forum» löst sich auf

Nach 40 Jahren wird das «Forum», die Kulturkommission des Quartiervereins Höngg (QVH), selbst zur Kulturgeschichte. Vielleicht ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, doch den ganzen Vorstand zu ersetzen, der per Saisonende im Januar 2013 zurücktreten wird, dürfte mehr als schwer werden.

François und Yves Baer in ihrem Büro (von links).

Die Gerüchte machten im Dorf bereits die Runde: Das «Forum»-Programm 2012, das achte bunte Leporello, wird das letzte sein. Denn «Forum»-Präsident François Baer, sein Sohn Yves Baer – der nach dem Tod von Vorstandsmitglied Maja Zweifel wieder eingesprungen war – Ruth Krampera, Max Furrer und Kassier Jörg Hanselmann haben, alle aus vorwiegend privaten Gründen, beschlossen, «das Mandat dem Quartierverein zurückzugeben», wie es nun in einer Medienmitteilung heisst. Im Gespräch mit dem «Höngger» blickten Vater und Sohn Baer auf die vergangenen Jahre zurück. Die Ursprünge des «Forums», so François Baer, gehen darauf zurück, dass man den Orchesterverein Höngg unterstützen wollte. Längst wurde aus dem Verein die Sinfonietta, ein Orchester, das auf professionellem Niveau auch heute noch jährlich mit den Sommerserenaden und dem Neujahrskonzert die Gäste des «Forums» begeistert.

Grosse Kunst im «kleinen» Höngg

François Baer leitete das «Forum» die letzten acht Jahre. Unter den 65 organisierten Veranstaltungen fanden – nur um einige zu nennen – Lesungen mit Ulrich Knellwolf, Charles Lewinsky oder Maria Becker statt, es traten Emil Steinberger, Dodo Hug und Toni Vescoli auf, das Theater des Kantons Zürich gab ebenso eine Vorstellung wie die Compagnia Teatro Dimitri. Doch auch lokale Künstler waren dem «Forum» immer ein Anliegen. Gefragt nach den persönlichen Highlights antwortet François Baer umgehend mit: «Das Theater des Kantons Zürich mit ‹Der Richter und sein Henker›». Das, so Baer, sei grosses Theater gewesen, das ihn beeindruckt habe. Stolz hingegen machen ihn die drei Liederabende der Höngger Sopranistin Sabine Hohler: «Dass es uns gelang, mit diesen Abenden Menschen anzuziehen, die zum Beispiel nicht in die Tonhalle gegangen wären, finde ich besonders schön.» Yves Baer hingegen nennt den Auftritt des Kontrabassisten und Klangmagier Mich Gerber: «Ich habe seine Zürcher Auftritte zehn Jahre lang verpasst, bis ich selbst zum Mit-Veranstalter wurde und ihn endlich erleben durfte.» Der absolute Höhepunkt aber, so François Baer, sei die Lesung der kürzlich verstorbenen Maria Becker gewesen. «Ein unvergesslicher Abend, der alle, die dort waren, verzauberte», erinnerte er sich. Auch daran, dass Maria Becker anderthalb Stunden las – entgegen der 45, nach genauer Regie geplanten Minuten. Doch die grosse Dame der deutschsprachigen Theaterbühne blühte an diesem Abend richtig auf und genoss ihr Publikum dermassen, dass sie die Zeit vergass. «Ich sprach gerade heute mit ihrem Buchhändler und auch er erinnert sich, wie Frau Becker gar nicht nach Hause wollte, sondern einfach nach einem weiteren Glas Zweifel-Wein fragte und weitermachte», erzählt François Baer. Auf einer ganz privaten Ebene hingegen berührte ihn Herbert Meier, der ehemalige Chefdramaturg des Zürcher Schauspielhauses. Dieser, selbst ein Höngger, führte anlässlich seines 80. Geburtstags durch eine literarische Soirée und las die extra dafür verfasste, in Höngg spielende Kurzgeschichte «Physiker bellen nicht». Meier hatte 1969 den Satz geprägt «Der neue Mensch steht weder rechts noch links, er geht» – was in den 68er Unruhen für viele ein Leitsatz wurde und bewegte, auch François Baer. «Nun zu sehen und von ihm zu hören, wie er im Alter, geistig hochpräsent, damit umgeht, selbst in Vergessenheit zu geraten, nicht mehr bedeutend zu sein, das hat mich tief bewegt.» Meier, so Baer, gehört zu jenen Künstlern, die erst post mortem wiederentdeckt werden: «Er weiss das und geht menschlich grossartig damit um.»

Trotz Erfolgen umstritten

Doch das «Forum» war bei allen Erfolgen nicht unumstritten. Die Programmgestaltung und die Finanzen gaben beim Quartierverein immer wieder zu reden. Vor acht Jahren war man der Meinung, es sei zu viel Geld in der Kasse des «Forums» – für das «Forum» jedoch war dies Betriebskapital. Als dieses vor zwei Jahren dann zusammengeschmolzen war, fürchtete man beim QVH, für einen allfälligen Verlust geradestehen zu müssen. Mit dem Gastauftritt des Theaters des Kantons Zürich letztes Jahr gelangten die Finanzen dann an eine kritische Grenze. In der Folge beantragten François Baer und sein Kassier diesen Januar beim QVH eine Defizitgarantie für einzelne, noch anzukündende grössere Anlässe. Doch die Mehrheit des QVH-Vorstands fand kein Musikgehör. Im Gegenteil: «Wir mussten uns Vorwürfe zu unserer Programmgestaltung anhören», erzählt Baer, den diese Aussage insofern irritiert, da ausser dem Kassier des QVH in den letzten acht Jahren selten bis nie jemand eine Veranstaltungen des «Forums» besucht hat. Die Haltung, die den beiden entgegengebracht wurde, empfand er als: «Wer braucht das «Forum»? Die Leute können doch in die Stadt gehen.»

Entscheid gefallen

Das war der Moment, als sich François Baer erstmals überlegte, ob er sich unter diesen Bedingungen noch weiter für das «Forum» engagieren wolle. Er entschied sich dagegen. Mit etwas Wehmut hält er fest, dass es nicht immer einfach gewesen sei, dem Anspruch des «Forums» gerecht zu werden und Kultur zu fairen Preisen zu bieten. Mehr als 25 Franken kostete kein Anlass – in vielen Fällen war dies konkurrenzlos tief, was auch intern manchmal zu Diskussionen führte. Speziell im Hinblick auf die rasant gestiegenen Gagen der Künstler. Nicht vergessen möchte Baer deshalb im Namen des ganzen «Forums» all jene Gönnerinnen und Gönner, ohne deren Zutun vieles nicht möglich gewesen wäre. Doch dass die Gespräche mit dem Quartierverein erfolglos verliefen und, so Baer, auch von anderer Höngger Seite das Verständnis für ein kulturelles Angebot fehlte, bleibt für ihn eine Enttäuschung. Zumal im Hinblick darauf, dass Höngg, an seiner Bevölkerung gemessen, längst Stadt grösse erreicht hat. «Wir hoffen, dass sich ein neues Team dadurch nicht entmutigen lässt», schreibt das «Forum»-Team nun an seine noch unbekannten Nachfolger. Höngg sollte mithoffen, denn Höngg hätte weiterhin ein eigenes Kulturprogramm verdient.

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