Braucht die Werdinsel einen Schilderwald?

Die Werdinsel hat Hochbetrieb. Das wurde auch an der letzten SISA-Sitzung konstatiert. Vieles läuft problemlos, doch sobald nicht dauernd an die Verhaltensregeln erinnert wird, läuft die Situation da und dort aus dem Ruder. Der Ruf nach Taten statt Worten wird wieder laut.

Links vom Weg darf man nicht, rechts schon. Doch die Grenzen auf der Werdinsel sind (oder besser: wären) nicht überall so klar wie bei der Abgrenzung zwischen «Badehosen unbedingt» (links) und «Badehosen freiwillig».

m Netzwerk «Sicherheit und Sauberkeit 9 und 10», kurz SISA genannt, werden seit 2005 an drei Sitzungen jährlich die Möglichkeiten und Grenzen der Nutzung der Werdinsel ausgelotet und koordiniert. Neben sechs Verwaltungsabteilungen – Grün Stadt Zürich, ERZ Entsorgung und Recycling Zürich, Sportamt, Stadtpolizei, Sozialdepartment und Gemeinwesenarbeit Waidberg – ist auch der Quartierverein Höngg und die private Interessengemeinschaft Winzerhalde regelmässig vertreten. Die Entscheidungsbefugnisse des Gremiums sind allerdings beschränkt, denn vieles ist politisch oder durch übergeordnete Vorschriften von Stadt und Kanton vorgegeben.

Detaillierte Nutzungszahlen

Nach der Erläuterung einiger marginaler Probleme durch alle Anwesenden präsentierte Ladina Koeppel Mouzinho von Grün Stadt Zürich Zahlen zur Nutzung der Werdinsel. Letzten Sommer wurden die Besucher durch automatische und manuelle Zählungen erfasst (siehe «Höngger» vom 7. Oktober 2010), nun liegen die ausgewerteten Zahlen vor. Hier nur einige Beispiele: Anhand der Erhebungsdaten vom 10. Juli 2010 um 16 Uhr stehen einem Besuchenden auf der Werdinsel durchschnittlich 34 Quadratmeter zur Verfügung. Im Badebereich, wo sich zu diesem Zeitpunkt 898 Personen aufhielten, waren es jedoch nur sechs Quadratmeter. Interessant auch die Aussagen zum Alter der Nutzer: Im Durchschnitt aller Erhebungsdaten und Zeiten zeigte sich, dass 78 Prozent 23 und älter waren, wobei die Generation 65 plus nur gerade mit zwei Prozent auf der Werdinsel präsent war. In den Sommermonaten waren auf dem Kloster-Fahr-Weg im Monatsdurchschnitt 34 802 Personen und auf dem Fischerweg 27 487 Personen unterwegs – zu Fuss, joggend, mit Hunden oder Fahrrädern.

Konflikte mit Velos, Hunden . . .

Auch die Vierbeiner wurden gezählt. Dabei zeigte sich, dass 90 Prozent der Hunde nicht angeleint waren, was zumindest auf der Werdinsel am Kiesstrand der Limmat nicht zu Konflikten führte. Doch diese Wahrnehmung polarisierte in der SISA-Sitzung. So berichtete Jacqueline Faisst von der IG Winzerhalde von den teils handfesten Konflikten zwischen Hundehaltern und Velofahrern auf Fischer- und Kloster-Fahr-Weg. Ersterer ist für alle zugänglich und Rücksichtnahme wäre gegenseitig angebracht. Der Weg rechts der Limmat hingegen ist mit einem generellen Fahrverbot belegt, das jedoch kaum beachtet wird.

. . . Falschparkierern…

Und natürlich waren auch die Falschparkierer wieder ein Thema, speziell die Fahr- und Motorräder, welche Gehwege und Zufahrten versperren. Fotos vom Sonntag, 26. Juni, als sich der tödliche Badeunfall ereignete, zeigen: Hätte ein Rettungsfahrzeug auf die obere Zufahrtsbrücke der Werdinsel fahren müssen, jede Hilfe wäre zu spät gekommen. «Seit Jahren reklamieren wir wegen all den Falschparkierern. Wenn hier mal etwas passiert, lehnen wir jede Verantwortung ab, gewarnt haben wir lange genug», mahnte Faisst. Was wurde nicht alles unternommen: Man stellte Tafeln auf, verteilte Flyer und Bussen – alles ohne nachhaltige Wirkung. Nun will man es mit einem Hinweisschild «Zufahrt für Rettungsfahrzeuge freihalten» versuchen, um dann falsch parkierte Zweiräder rigoros einzusammeln, was den Fahrzeughalter mehrere Hundert Franken kostet und vielleicht länger nachwirkt. Trotz dieser Aussicht machte sich im Raum leise Resignation breit. Andreas Egli, Vorstandsmitglied des Quartiervereins Höngg (QVH), fasste sie in einem ultimativen Statement zusammen: «Wir befassen uns jetzt im dritten oder vierten Jahr mit dem Verkehrsproblem und der Effekt ist gleich Null. Ich will auch nicht von der Polizei immer hören, sie hätten zu wenig Personal. Wir werden spätestens bis Mitte nächstes Jahr für verschiedene Probleme auf der Werdinsel Lösungen finden und sonst können wir die SISA-Sitzungen aufgeben. Es muss grundlegend etwas anders gemacht werden.»

. . . und Nudisten

Dies betreffe übrigens auch den FKK-Bereich, fügte er gleich noch an: «Ich habe erneut, und zwar von toleranten Leuten, gehört, dass wieder vermehrt Nudisten auf der ganzen Insel auftauchen, nicht nur im unteren Bereich, wo dies toleriert wird. Wir machen uns lächerlich, und da mache ich nicht mit. Entweder es passiert etwas, oder dann unternimmt der QVH etwas – ob das Ergebnis dann den Wünschen der Stadt entspricht, ist eine andere Frage.» Das Problem: Über lange Zeit waren Vertreter der Homosexuellen Arbeitsgruppen Zürich (HAZ) und der Aidshilfe Zürich an den SISA-Sitzungen dabei – und auch auf der Werdinsel mit Kampagnen präsent. Beides ist seit einiger Zeit nicht mehr der Fall und schon gehen die Regeln, welche die Situation entschärft hatten, wieder vergessen. «Im Sommer 2003 begannen die Probleme», erinnert Andreas Egli, «man ging die Sache an und die Situation beruhigte sich. 2010 gingen keine Reklamationen mehr ein und nun ist man wieder gleich weit. Dieses Theater machen wir nicht nochmal: Auch wenn seit 20 Jahren auf der Insel ‹geblüttlet› wird, dann müssen wir vom QVH sagen, dass dies nun eben vorbei ist.» Auch hier wieder allgemeines Bedauern im Raum und die Frage, ob man wieder mit Schildern arbeiten soll? Andreas Egli prägnant: «Wir tun alle so, wie wenn auf der Werdinsel alles funktionieren würde, aber es funktioniert nicht und wir wissen es alle.» Schweigen im Raum. Und wie realistisch der Aufruf zu mehr Zivilcourage ist, Fehlbare anzusprechen, ist ebenso hinlänglich bekannt. Nun geht Sitzungsleiter Thomas Stüssi vom ERZ erneut auf die Leute von HAZ und Aidshilfe zu, damit sie sich wieder an den Sitzungen und damit an der Problemlösung beteiligen. Am 26. September wird die SISA-Werdinsel die Bilanz des Sommers ziehen – wie sie ausfällt und welche Konsequenzen sie auslöst, darauf darf man gespannt sein.

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