«Born to be wild, Herr Lehmann!»

Das 16. Musical des Musicalprojekts Zürich 10 kann sich wie immer sehen lassen: Der Zürcher Hauptbahnhof, in dessen Gemäuern sich die Geschichte abspielt, ist eine Fundgrube an Begegnungen und Ereignissen – auch wenn diese «nur» auf der Bühne im reformierten Kirchgemeindehaus stattfinden. Hingehen unbedingt empfohlen!

«Banker-Bubi» und seine Sekretärin Fräulein Geldpfennig geben alles – Punk Noodles kehrt diesem Gebaren demonstrativ den Rücken.
Rasante Choreografien und gute Songs für das begeisterte Publikum.
«Auf dem Boden sitzen und singen ist strengstens verboten!»: Dies kriegen die Teenager von Korporal Sturzenegger und Rekrut Läubli zu hören.
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Die Bahnhofsuhr auf der Bühne zeigt zwanzig vor sechs, real ist es Punkt acht Uhr – Gebläselärm rauscht durch den Saal, und gemütlich betritt der in orange Warnkleidung gewandete Putzmann Beppo die Bühne. Bedächtig wirbelt er mit seinem Schmutzbläser den Dreck weg. Kurz darauf kommt Hektik auf: Der Zürcher Hauptbahnhof bevölkert sich mit Passagieren jeden Alters, doch alle tun das Gleiche: Sie lesen die gleiche Zeitung und wollen möglichst rasch ihr Ziel erreichen. Das Stück «I’m in a Hurry», welches die Jugendlichen und jungen Erwachsenen dazu singen, passt bestens. Die alte Frida, die seit 30 Jahren den Reisenden still ihren Segen erteilt, fehlt ebenfalls nicht: «Mer findt de Platz, wo mer sich deheime fühlt, nöd schnäller, wämmer pressiert», sinniert sie ob der eilenden Menschenmenge.

In Amsterdam, Tokio und Höngg

Lockerer nimmt es hingegen der junge Mann, der auf einer Bank schläft und von Nina, die auf dem Heimweg vom Ausgang ist, geweckt wird. «Ich bin auf dem Weg nach Rio de Janeiro », erzählt der Reisende, der Dave heisst. «Ich war schon überall – Amsterdam, Tokio, Höngg», erzählt er ihr und sorgt so für Lacher im Höngger Publikum. Die beiden sind sich sofort sympathisch und erzählen aus ihrem Leben. «Tanze, Alkohol, umeknutsche – nei, das isch nüt für mich», meint Dave zu Ninas Partyleben. «Häsch scho rächt. Ich frög mi mängisch au, wieso ich stundelang im Miniröckli vor em Club i de Kälti Schlange stahn», hinterfragt sie sich. Wie immer wird beim Musicalprojekt Zürich 10 nicht nur gesungen, sondern auch Wert auf witzige Dialoge gelegt. So erstaunt es kaum, dass der junge Banker, der gerade mit seinem Chef Herrn Lehmann telefoniert, von der Gruppe aufmüpfiger Punks angepöbelt wird. «Born to be wild» kreischen sie, der arme «Banker-Bubi» weiss sich kaum mehr zu helfen. «Born to be wild, Herr Lehmann!», doppelt die Meute noch nach, während der junge Banker vor lauter Stress sein Köfferchen liegen lässt – welches später im Stück seinen überraschenden Inhalt preisgibt.

Stück selbst geschrieben

Die schmissigen und auch mal melancholischen Songs, von «Mis Dach isch de Himmel vo Züri» von Zarli Carigiet über «They dont’t care about us» von Michael Jackson bis hin zu «Help» von den Beatles regen zum Fusswippen und Mitsingen an. Die Geschichte, von den Vereinsmitgliedern selbst geschrieben, berührt und macht einen gleichzeitig nachdenklich. Das Stück lebt von den verschiedenen Charakteren, die so überzeichnet dargestellt werden, dass man einfach lachen muss: Das gestresste Mami mit zwei Söhnen und einer fünfjährigen Tochter, die sich immer aus dem Staub macht und auf welche die Brüder nicht aufpassen wollen: «Nimm Mila an die Hand!» – «Kei Bock Mami, das söll de ander mache!» Prompt entschwindet Mila und will Beppo beim Putzen helfen, streichelt den Hund der Obdachlosen und bereitet ihrem Mami durch ihr Verschwinden einen halben Nervenzusammenbruch.

Eine harte Hand und ein bisschen Herz

Wie gut, ist die Polizei, dein Freund und Helfer, auch mit von der Partie: «Was gsehnd mini wachsame Auge da? Illegali Aktivitäte am Hauptbahnhof! En schwere Fall vo Vandalismus! », ruft Korporal Sturzenegger. Der schwere Fall sind drei Jugendliche, die am Boden sitzen und singen – ein Vergehen nach Paragraf 16, Absatz 1c: «Sitze und singe isch verbote! », herrscht Sturzenegger den Nachwuchs an. Das Mädchen in Baseballkappe und gelben Trainerhosen lässt sich nicht einschüchtern: «Sturzi, bisch du eigentlich au mal jung gsi?!» – «Nei, nie und für dich immer no Korporal Sturzenegger!» Angesagt sei eine harte Hand und ein bisschen Herz. Wohin dies führt, davon überzeugt man sich am besten selbst – nämlich an den Vorstellungen vom Freitag, 8., und Samstag, 9. März, jeweils um 20 Uhr im reformierten Kirchgemeindehaus an der Ackersteinstrasse 190. Der Eintritt ist gratis, es gibt eine Kollekte. Weitere Informationen: www.musicalprojekt.ch

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