Andächtige Stille am 1.-August-Feuer

Die traditionelle Bundesfeier auf dem Hönggerberg stand im Zeichen von Geselligkeit und Stolz – ganz wie sich das gehört. Der Pathos beschränkte sich dabei auf Fahnenschmuck und Schweizerpsalm, was kaum geschadet hat, denn die Stille am grossen Feuer sprach für sich.

Einer für alle und alle bestaunen ihn: den ersten Vulkan.
Alle Bänke voll besetzt mit interessiert lauschender Festgemeinde.
Petros Papadopoulos, Präsident des Verbandes der Studierenden an der ETH, bei der Festansprache.
Das Duo Rolf und Dani, wie man es kennt.
Schaggi Heusser III. betrachtet mit Stolz sein 58. 1.-August-Feuer.
Keine Bundesfeier ohne zünftiges Feuerwerk.
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Die Sommerferien machen heuer ihrem Namen alle Ehre: Die Hitze hat das Land fest im Griff und ein Grossteil der Bevölkerung weilt in den Ferien, die Strassen sind entsprechend leerer. Nicht so jedoch die Festbänke an der Bundesfeier auf dem Hönggerberg, wo zum Geburtstag der Eidgenossenschaft am 1. August die Gemeinsamkeit zelebriert wurde. Hier beginnt diese bereits mit der Organisation, für die gleich drei grosse Höngger Vereine verantwortlich zeichnen: Der Quartierverein (QVH) ist Hauptveranstalter, der Turnverein als Gastgeber um das leibliche Wohl besorgt und der Verschönerungsverein richtet das 1.-August-Feuer auf. Genauer gesagt war dafür bereits zum 58. Mal in Folge Schaggi Heusser III. verantwortlich. Bereits ab 17 Uhr begannen sich die zahlreichen Festbänke mit Besucherinnen und Besuchern zu füllen – man ass, trank, sprach und lachte freudeidgenössisch mit den Tischnachbarn, derweil das Duo Rolf und Dani, längst musikalische Höngger Stammgäste, aufspielte. Als QVH-Vorstandsmitglied und FDP-Gemeinderat Alexander Jäger um 20.30 Uhr die Gäste begrüsste, war praktisch jeder Tisch voll besetzt. Die vielen Kinder, für die auf der Wiese verschiedene Spielmöglichkeiten geboten wurden, nutzten diese eifrig. Jäger verdankte das grosse Engagement aller an der Durchführung der Feier Beteiligten und als er Schaggi Heussers Verdienst erwähnte, belohnten die Gäste dies mit einem grossen Applaus, auf dass der Gelobte ihn höre, oben an seinem Platz beim Holzstoss. Dann aber war es Zeit für die Festrede. Dieses Jahr hatte der QVH keine Prominenz aus Politik oder Gesellschaft eingeladen, sondern Petros Papadopoulos, den Präsidenten des Verbandes der Studierenden an der ETH (VSETH), deren Standort Hönggerberg im Hintergrund in den letzten Sonnenstrahlen golden leuchtete.

Stolz auf die Schweiz – und die ETH Hönggerberg

Für den 1988 in Griechenland geborenen, seit dem vierten Lebensjahr in der Schweiz aufgewachsenen Absolventen des Joint-Master-Studiengangs für Nuclear Engineering war es die erste längere Rede vor grossem Publikum. Er wolle, bekannte er gleich zur Begrüssung, kein Schwergewicht auf die Geschichte der Schweiz legen. Auch weil er kein grosser Freund von Nationalfeiertagen sei, da diese den Stolz auf die Nation und das Gemeinschaftsgefühl nur auf einen einzelnen Tag konzentrieren – und dennoch, heute sei man nicht Höngger, Zürcher, Tessiner oder sonst was, heute sei man Schweizer und stolz auf dieses Land. Auch die allgemeinen Vorzüge wollte er eigentlich nicht aufzählen – bemühte diese wenig später dann aber doch ausführlich. Zentral und als Herzensanliegen hob Papadopoulos jedoch die Vorzüge des Schweizer Bildungssystems hervor, das er als einzigartig lobte: «Wo sonst kann man sich seinen Fähigkeiten entsprechend ausbilden lassen, unabhängig vom Portemonnaie der Eltern? Das ist der grösste Rohstoff der Schweiz. Hätten wir nicht so viele renommierte Ausbildungsstätten, wären gewiss auch weniger Konzerne von Weltformat hier ansässig.» Die seien nämlich nicht nur wegen den tiefen Steuern hier, sondern auch wegen dem gut ausgebildeten Personal. Und davon bildet auch die ETH aus. Diese beschloss vor rund 60 Jahren, als der Hauptstandort in Zürich aus allen Nähten platzte, auf dem Hönggerberg einen Campus zu bauen. «Dies war eine der besten Entscheidungen. Wir wären ohne den Standort Hönggerberg heute keine international führende Hochschule und darauf sind wir Studierenden stolz.» Doch was nicht einfach so funktioniert habe, sei die Idee gewesen, einen Campus nach amerikanischem Vorbild zu realisieren. Da reiche etwas Beton und Stahl eben nicht. Vergessen gegangen sei der soziale Aspekt der – so beweist es jeder amerikanische Familienfilm – ein wichtiges Element des studentischen Lebens ist. «Die ETH kämpft bis heute damit, den Campus mit Leben zu füllen und nach diversen Versuchen und Projekten hat man dann endlich die Studierenden selbst gefragt, was denn Sinn machen würde.» Dann wurden Shuttlebusse zum Zentrum eingeführt, die eine Entlastung der regulären Verbindungen brachten, man baute das moderne Sportcenter, gewann mit Coop einen Detailhandelspartner – dieser ist übrigens schweizweit bereits auf Rang fünf gemessen am Umsatz pro Quadratmeter – und aktuell wird an den ersten 900 Wohnungen gebaut. «Ein Campus ist eine Miniatur-Stadt in der Stadt – oder eben hier in Höngg –, die alle normalen Bedürfnisse abdecken muss.» Hier werden bald 900 neue Hönggerinnen und Höngger nicht nur studieren wie alle anderen, sondern auch leben. Gewiss, das werde auch Probleme bringen, zeigte sich Papadopoulos kritisch. Solche mit Abfall und Lautstärke − zum Beispiel am Erstsemestrigenfest mit 6000 Studierenden − bezeichnete er als vorhersehbar. Doch auch Unvorhersehbares nannte er eine Herausforderung an die Kommunikation Höngg gegenüber, denn: «Wir leben auf eurem Boden und sind dankbar dafür. Wir schätzen die gute Nachbarschaft und wollen sie bewahren. Wenn Probleme auftauchen, wollen wir diese zusammen lösen, denn wir sind stolz, hier in Höngg zu sein: Es ist idyllisch, man kommt hier an und ist gleich entspannter als in der Hektik der Stadt. Alle Studierenden schätzen die Ruhe und auch die gewisse Isolation – man verbringt hier gerne zusammen Zeit und Leben.» In seiner präsidialen Funktion nimmt Papadopoulos heute Anteil daran, Lösungen für ein gutes Zusammenleben zu finden: «Höngg soll auch sehen, was wir hier tun und dass wir helfen, die Schweiz vorwärtszubringen. Und man darf ruhig stolz auf die ETH Hönggerberg sein. Doch heute», so schloss er nach knapp 20 Minuten, «sind wir wie gesagt nicht Höngger, sondern Schweizer und auf diese Schweiz sind wir stolz – Sie können dann morgen wieder stolz auf die ETH sein.»

Lampionumzug und feierliche Stille am Feuer

Nach der Ansprache wurde gemeinsam die Nationalhymne gesungen und bald darauf besammelten sich erwartungsvolle Kinder mit ihren Lampions beim Haupteingang des Turnplatzes. Bunt und lang wurde der Zug, der zum und durch den Wald Richtung ETH und am Waldrand zurück zog – und klug handelte, wer sich vorher mit Insektenschutz eingerieben hatte, denn spätestens zwischen den Bäumen warteten auch die Mücken auf ein Festmahl zur Feier der Eidgenossenschaft, schliesslich sind auch sie – oder zumindest die meisten – Schweizer. Als die Kinderschar zurück war, versammelten sich fast die ganze Festgemeinde beim Kappenbühl, wo nun das Feuer angezündet wurde und prächtig loderte. Für einige Minuten herrschte nun eine fast schon andächtige Stille: Kaum eine Rakete wurde gezündet, bis das Feuer hell und hoch in den Nachthimmel loderte – doch dann war kein Halten mehr und Feuerwerk um Feuerwerk wurde abgebrannt. Laut, bunt und funkelnd zogen die pyrotechnischen Kunstwerke ihre Spuren über Höngg. Noch bis gegen Mitternacht wurde beim Turnerhaus weiter gefeiert und vereinzelt sogar getanzt. Ja, das daheimgebliebene Höngg hat den 722. Geburtstag der Eidgenossenschaft würdig begangen.

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